Einsatz statt Talent: Eike Böker kämpfte sich bis in die Handball-Oberliga und geht als Vorbild!

MT-Online. Handballer wie Eike Böker gibt es in der Oberliga eigentlich nicht mehr.

„Ich bin ein Relikt“, sagt der 34-Jährige, „andere hatten sicher mehr Talent“. Nur arbeiten konnten wenige wie er. In 17 Jahren rackerte sich Böker von der zweiten Mannschaft der HSG EURo aus der Kreisliga nach oben, hinterließ seine Spuren in drei Vereinen – und geht zum Karriere-Ende beim TSV Hahlen als Vorbild auf vielen Ebenen.

Sechs Wochen Vorbereitung für die Vorbereitung

„Die Einstellung, wie er an den Sport herangeht, sein Kampf und Einsatzwille sind einzigartig“, sagt Trainer Alexander Röthemeier. „Was ich kann, ist immer 110 Prozent geben“, bestätigt Eike Böker. Und mit diesem Motto ist er weit gekommen. Das liegt auch daran, dass er früher losgelaufen ist als seine Kollegen. Und zwar im wahrsten Sinne. „Die sechs Wochen Pause im Sommer waren meine Vorbereitung, da war ich jeden Tag laufen und habe Athletik-Übungen gemacht“, erzählt der Routinier. Um sich einen Vorsprung für die eigentliche Vorbereitung zu verschaffen? „Ich bin eher mit den anderen gleichgezogen“, sagt er und lacht. Handballerische Defizite habe er immer mit Fitness ausgeglichen.

Das letzte Tor: In seinem Abschiedsspiel gegen Rödinghausen traf Eike Böker zweimal. Für den direkten Klassenerhalt reichte das nicht. - © Sebastian Külbel
Das letzte Tor: In seinem Abschiedsspiel gegen Rödinghausen traf Eike Böker zweimal. Für den direkten Klassenerhalt reichte das nicht.

Dennoch war Böker ein wichtiger Spieler. „Ich habe meine Nische gefunden“, sagt er. Und er hat sie optimal ausgefüllt. Als unerbittlicher Verteidiger im Innenblock oder auf der Halbposition, als Zweikämpfer in Eins-gegen-Eins-Situationen und natürlich als mentale Stütze und Antreiber. So hat er sich früh Respekt verschafft – auch gegen vermeintlich Bessere: „Wenn man auf Spieler trifft, die bei GWD oder Lit ausgebildet wurden, ist das ein ganz anderer Handball als bei mir. Aber am Ende müssen die auch erst einmal auf mich drauflaufen.“

Wie viel Böker für seine Leidenschaft investiert, zeigt sich früh in seiner Karriere. Schon mit 17 Jahren absolviert der Oberlübber seine ersten Männerspiele in der zweiten Mannschaft seines Stammvereins EURo. Schnell rutscht er in die Erstvertretung und spielt fortan Landesliga – auch während des dualen Studiums in München. Vier Jahre lang pendelt er von dort jedes Wochenende zurück in die Heimat, für den Handball, für Freundin Jacky und für den geliebten Wochenendrhythmus: „Freitag Training, Samstag Spiel und Lindenhof, Sonntag zurück.“

Haus und Hof fordern Zeit am WochenendeDass er für den Beruf wieder in die Heimat zog, war selbstverständlich. Seit 2013 arbeitet der IT-Fachmann bei der Edeka und ist mittlerweile Abteilungsleiter für Großhandelswarenwirtschaftssysteme. 2020 wurden die Wurzeln in der Region noch tiefer, als er mit Jacky, inzwischen seine Frau, ein Haus in Nettelstedt baute.Das ist auch ein Grund, warum Böker seine Handball-Karriere beendet: „Ich spiele seit mehr als der Hälfte meines Lebens Männerhandball, habe einige Kilometer abgerissen und viele Stunden in Hallen verbracht. Das passt nicht mehr zu meiner Lebenssituation.“ Denn Haus und Hof fordern am Wochenende Zeit, die der Handball ihm kaum lässt: „Wenn man zum Spiel in den Ruhrpott fährt, ist der Samstag fast weg.“

Bei seiner Verabschiedung gab es auch einige Tränen - nicht nur bei Eike Böker. - © Sebastian Külbel
Bei seiner Verabschiedung gab es auch einige Tränen – nicht nur bei Eike Böker.

Dass Eike Böker es überhaupt in diese Regionen geschafft hat, macht ihn auch ein wenig stolz. „Ich habe in jeder Amateurliga gespielt, das gibt es heute nicht mehr so oft.“ Ohne Dennis Eichhorn wäre es dazu vielleicht gar nicht gekommen. Der Trainer holte den Rechtshänder zweimal in die Verbandsliga, erst 2015 zur HSG Porta und dann 2017 nach Hahlen. „Ich bin zweimal wegen ihm gewechselt, aber zweimal ging es nicht lange“, erinnert Böker an frühe Trainerwechsel nach seiner Ankunft.

Dennoch habe er sich in beiden Vereinen sehr wohl gefühlt – der TSV Hahlen wurde sogar zu einer zweiten Heimat. „Hier gibt es noch ein richtiges Vereinsleben und viele engagierte Mitglieder“, sagt der 34-Jährige, der schnell zum Publikumsliebling wurde: „Ich war nie ein Zauberhandballer, sondern eher der Kämpfertyp. Das kommt dort gut an.“ Die Tränen bei Sportwart Dennis Bekemeier und Böker im Zuge der Verabschiedung zeigen, wie tief die Verbindung in sieben Jahren gewachsen ist. Umso mehr schmerzt es ihn, dass er mit dem Team den direkten Klassenerhalt verpasst hat. „Ich bin noch nie abgestiegen“, sagt Böker. Gemeinsam mit seinen Kollegen hofft er nun, dass die Ahlener SG in der 3. Liga bleibt und es somit doch noch reicht.

Auf Fußball im Training kann er gut verzichten

Und ganz weg aus Hahlen ist er auch nicht. Neben Fitness auf dem Rudergerät und beim Laufen plant Böker auch das eine oder andere Training mit seinem alten Team. Zuvor geht es von Samstag bis Dienstag auf Mannschaftsfahrt nach Mallorca. „Da bin ich mit Abstand der Älteste, aber das wollte ich zum Abschluss noch einmal machen“, sagt der Routinier.

Gut verzichten können hätte er dagegen auf das letzte Training am Mittwochabend. „Da wird wie auch zum Aufwärmen immer Fußball gespielt, und das habe ich gehasst.“ Dabei war Böker eigenen Angaben zufolge einer der Top-Torschützen: „Ich habe aber nie verstanden, warum wir uns nicht einfach warmlaufen und dann trainieren.“

Seine Mannschaft schenkte Eike Böker eine Kabinenbank, seine Kumpels aus der Frühschoppen-Runde ehemaliger Handballer trugen sie in die Halle. - © Sebastian Külbel
Seine Mannschaft schenkte Eike Böker eine Kabinenbank, seine Kumpels aus der Frühschoppen-Runde ehemaliger Handballer trugen sie in die Halle.

Der 1,90-Meter-Mann ist eben ein Handball-Purist, und das wird demnächst auch bei ihm daheim zu sehen sein. Zum Abschied schenkte ihm die Mannschaft eine alte Kabinenbank, die seine Kumpels aus der Frühschoppen-Runde ehemaliger Handballer in die Halle trugen. „Die soll in den Vorraum der Sauna im Garten, das ist mein neues Projekt“, sagt Böker. Denn genau das werde ihm am meisten fehlen: „Das Miteinander, ein Bier zusammen trinken und etwas Quatsch erzählen.“ Das hat ihm immer gereicht: „Ich war siebzehneinhalb Jahre lang der günstigste Spieler und habe nie Geld für Handball bekommen oder genommen.“ Es passt zu seinem Leben als Handball-Relikt.